Die Geschichte dieser Bahnlinie ist eng mit stalinistischen Straflagern, mit Deportation, Vertreibung und Kriegsgefangenschaft verknüpft. Sie wurde aus strategischen Gründen erbaut, da Teile der Transsibirischen Eisenbahn über ehemals chinesisches Territorium führen. Der Grenzverlauf mit China ist bis dato vertraglich noch nicht fixiert. Die Baikal-Amur-Magistrale wurde als mögliche Ausweichroute nach Fernost gebaut. Sie galt als militärisches Sperrgebiet und durfte bis 1993 nicht von Ausländern befahren werden.
Die 3. Rollende Zukunftswerkstatt war die erste Reisegruppe mit westlichen Teinehmern, die diese Route befahren durfte.Die Teilnehmergruppe bestand aus Deutschen, Schweizern und Russen.
Unser Anliegen praktischer Versöhnungsarbeit konnte hier besonders gut betrieben werden. Ein deutscher Teilnehmer unserer Reise, der selbst Kriegsteilnehmer war, konnte zum erstenmal in seinem Leben über seine Erfahrungen und Erlebnisse im Zusammenhang mit russischen Zwangsarbeitern und mit der Auflösung des Konzentrationslagers Oranienburg sprechen. Ebenfalls zum erstenmal wurden die Ergebnisse russischer Historiker bei der Rekonstruktion von Straflagern über unser Projekt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Bemerkenswert ist auch, daß unseren Teilnehmern aus der Schweiz die besondere historische Last bewußt wurde, die als ein Resultat von Diktatur und Gewaltherrschaft gleichermaßen auf russischen wie auch auf deutschen Schultern liegt. Die Begegnung half deshalb auch Vorurteile abzubauen: Besonders hervorgehoben wurde immer wieder das Problem gegenseitigen Mißtrauens durch jahrzehntelang von östlicher wie von westlicher Seite genährte Feindbilder.
Interessant waren aber auch die Vorträge und Exkursionen zu Zukunftsfragen.
In Novosibirsk war der Veranstaltungspartner die Hochschulinitiative Ecodom,
die seit einigen Jahren Forschungen im Bereich passive Solarenergienutzung
und ökologischer Hausbau betreibt. Am Baikalsee ging es um Tourismusentwicklung,
um Probleme der medizinischen Versorgung und um Fragen der Ökologie.
Im weiteren Verlauf der Reise, speziell in Tynda behandelten wir Fragen
von Demokratieentwicklung und der Umgestaltung des militärisch-industriellen
Komplexes. In Juktalie ging es um das Problem ethnischer Minderheiten,
speziell um die Rolle der Evenken in einem demokratischen Rußland.
In Wladiwostok selbst waren unsere Veranstaltungspartner Rußlanddeutsche,
die sich angenehm von den Verbandsfunktionären (z.B. der "Wiedergeburt")
in Moskau unterschieden. Hier konnte man zum ersten Mal eindrucksvoll erleben,
daß Rußlanddeutsche eine kulturelle Brückenfunktion einnehmen
können. Auch in Wladiwostok wurden unsere Themen wie Selbsthilfe,
Know How Transfer, Tourismusentwicklung, Selbsthilfe im Wohnungsbau etc.
mit großem Interesse aufgenommen. Allerdings war die Zeit für
vertiefende Gespräche, so die Meinung vieler Teilnehmer, viel zu kurz,
wenngleich man auch nach der langen und beschwerlichen Reise froh war,
bald wieder nach Hause zu kommen.